Mit dieser Frage hat sich proplanta®, das Informationszentrum für die Landwirtschaft, in einem online-Artikel am 19.02.2014 befasst.
Die bisher einzige in der EU bereits 1998 zugelassene und in Spanien angebaute genmanipulierte Maislinie „Mon810“ der Firma Monsanto darf wegen nationaler Verbote aufgrund einer bestehenden Schutzklausel zur Zeit in neun EU-Mitgliedsländern nicht angebaut werden. In Frankreich wurden nationale Verbote zum Anbau von „Mon810“ bereits zweimal von französischen Gerichten als unrechtmäßig zurückgewiesen.
Mit der EU-Zulassung der Maislinie 1507 könnten diese nationalen Verbote rechtlich noch mehr in Frage gestellt werden und auch das Verbot von „Mon810“ in Deutschland aufgrund einer dann veränderten Sach- und Rechtslage hinfällig werden.
Am 26.09.2013 entschied das Gericht der Europäischen Union (EuG) auf Basis einer Untätigkeitsklage zugunsten des nordamerikanischen Unternehmens DuPont-Pioneer Hi-Bred, dem Hersteller der Genmaislinie 1507, gegen die Europäische Kommission, den Genmais-Zulassungsantrag dem Rat der Europäischen Union zur Entscheidung vorzulegen. Das EuG berücksichtigte hierbei nicht, dass angeforderte Unterlagen der zuständigen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) von DuPont-Pioneer nicht vorgelegt wurden. Auf eine Berufung vor dem EuGH verzichtete die Europäische Kommission.
DuPont-Pioneer ist laut ihrer Homepage, also nach eigenen Angaben eines der weltweit führenden Saatzuchtunternehmen und hat in Buxtehude seine Zentrale für die Geschäftseinheit Nordeuropa. Die Geschäftsaktivitäten umfassen Züchtung, Saatgutaufbereitung und Vertrieb von Mais-, Raps- und Sonnenblumensaatgut, sowie Herstellung und Vertrieb von Siliermitteln für die Verbesserung von Mais- und Grassilagen.
In den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD sprachen sich zwar die CSU und die SPD für ein Gentechnikverbot aus, die CDU war aber dagegen.
In dem am 27.11.2013 vorgestellten 130 Seiten starken Koalitionsvertrag für das Regierungsbündnis von CDU/CSU und SPD wurde wegen der CDU-Forderung auf ein Gentechnikverbot verzichtet, aber schriftlich erklärt: „Wir erkennen die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der … Gentechnik an.“ (vgl. Seite 87 des Vertrages)
Am 16.01.2014 zeigte sich eine Mehrheit im EU-Parlament gegen die Zulassung von Gen-Mais.
Der Gen-Mais 1507 produziert ständig und mehr als MON 810 Insektengift aus der Gruppe der Bt-Toxine (Bazillus thuringiensis), ein Bodenbakterium, das besonders giftig für Schmetterlinge, auch Bienen und andere Insekten ist.
Gen-Mais 1507 ist gentechnisch resistent gegen das hochgiftige Totalherbizid „Glufosinat“. Ein Herbizid, das spätestens 2017 verboten werden soll, da es die Fortpflanzungsfähigkeit herabsetzt. Die Entwicklung und Vermarktung dieses Maises ist speziell für den gesteigerten Einsatz dieses Herbizids erfolgt.
Die gentechnisch veränderten Organismen (GVO) leisten keinen Beitrag zur Welternährung, sondern tragen nur zur Verschärfung des Hungerproblems bei.
Der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen wird sowohl in Deutschland als auch in weiteren 18 Mitgliedstaaten der Europäischen Union von der Bevölkerung wegen der nicht einzuschätzenden Gesundheitsgefahren mit großer Mehrheit abgelehnt. Die Ablehnung liegt in Deutschland laut der von GREENPEACE am 23.01.2014 veröffentlichten repräsentativen Umfrage bei 88 % der Bevölkerung.
Der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bundestag mit dem Ziel, die Zulassung der gentechnisch veränderten Maislinie 1507 für den Anbau in der EU zu verhindern, wurde nach entsprechender Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft in der Bundestagssitzung am 30.01.2014 mit der Mehrheit der schwarz-roten, der großen Koalition (GroKo) abgelehnt.
Die Bundestagsabgeordnete Christina Jantz (SPD) aus dem hiesigen Bundestagswahlkreis, selbst Mitglied im vorgenannten Ausschuss, stimmte ebenso wie Andreas Mattfeldt (CDU) gegen diesen Antrag der grünen Bundestagsfraktion. Mit ihrem Abstimmungsverhalten verpassten die beiden Abgeordneten nicht nur den vielen Wählern der GRÜNEN, die einer der beiden Personen bei der Bundestagswahl ihre Erststimme gegeben hatten, sondern auch der ganz überwiegenden Mehrheit in der Bevölkerung „einen heftigen Schlag ins Gesicht“. Beide haben sich damit nunmehr als Gentechnikbefürworter „geoutet“.
In der namentlichen Abstimmung stimmten von 311 CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten 291 (darunter Andreas Mattfeldt) für Ablehnung des Grünen-Antrages und 5 dagegen, bei 3 Enthaltungen und 12 (darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel) nicht abgegebenen Stimmen.
Von den 193 Abgeordneten der SPD stimmten 160 (darunter Christina Jantz) für die Ablehnung des Grünen-Antrages und niemand dagegen, bei 15 Enthaltungen und 18 (darunter Vizekanzler Sigmar Gabriel) nicht abgegebenen Stimmen.
(vgl. http://www.bundestag.de/bundestag/plenum/abstimmung/grafik/index.jsp)
In Sachen Gentechnik verspielt die GroKo mindestens leichtfertig eine historische Chance in der Europapolitik „von der Tribüne aus“!
In den Gremien des Rates der Europäischen Union ist seit dem 01.07.2013 (EU-Beitritt Kroatiens) eine qualifizierte Mehrheit von mindestens 260 (von 352 Stimmen) für oder gegen die Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen erforderlich.
Die fünf gentechnikbefürwortende Staaten Großbritannien, Spanien, Schweden, Finnland und Estland kommen insgesamt auf 77 Stimmen. Die 19 Staaten der Gentechnikgegner und die 4 „neutralen“ Staaten (u.a. Deutschland) hätten mit insgesamt 275 Stimmen die qualifizierte Mehrheit gegen die EU-Zulassung dieser Genmaislinie 1507 erreichen können.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mit der deutschen Enthaltung – bei dem bedeutenden Gewicht von 29 Stimmen – diese qualifizierte Mehrheit im EU-Ministerrat am 11.02.2014 von vornherein verhindert und damit nicht einmal Europapolitik „von der Außenlinie“ betrieben, sondern lediglich von der Tribüne aus. Sie hat sich nur den Interessen eines großen US-amerikanischen Konzerns und der „Agro-Chemie“-Industrie gebeugt.
In Sachen Gentechnik zeugt dieses von einem mangelnden Demokratieverständnis und auch von fehlendem Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Europäischen Union als demokratische Staatengemeinschaft mit einer christlich-abendländischen Wertvorstellung.
Die EU-Kommission kann die EU-weite Anbauzulassung der gentechnisch veränderten Maislinie 1507 zwar noch verhindern, hat aber bereits mit der Vorlage zur Abstimmung in der Sitzung des EU-Ministerrates am 11.02.2014 gezeigt, dass sie eine EU-Zulassung noch vor den Europawahlen im Mai 2014 ermöglichen werde.
Nationale Verbote erscheinen rechtlich fragwürdig. Eine Ausstiegsklausel („opt-out“) zum Zwecke des Verbots in einzelnen Ländern kann auch nur ansatzweise helfen, weil Gentechnik im Freien an Grenzen nicht halt macht und Einkreuzungen und Vermischungen zu befürchten sind.
Der Landkreis Verden ist bisher gentechnikfrei. – Aber wie lange noch?
Der Landkreis Verden hat in seinen Pachtverträgen mit den Landwirten ein Verbot gentechnisch veränderter Organismen (GVO) vereinbart sowie ein GVO-Verbot auf über 1.800 Hektar (ha) eigener Naturschutzflächen und über 12.500 ha Landschaftsschutzflächen geregelt. Damit ist der Landkreis Verden landesweit vorbildlich.
In Benckel (Flecken Ottersberg) konnte ein Freilandversuch mit GVO der KWS Saat AG aus Einbeck vor Jahren erfolgreich verhindert werden.
Mit seinem Abstimmungsverhalten als Bundestagsabgeordneter am 30.01.2014 hat Andreas Mattfeldt (CDU), der ja immerhin auch noch Mitglied des Kreistages und im Kreisausschuss ist, die Interessen des gentechnikfreien Landkreises Verden und der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung m.E. in unverantwortlicher Art und Weise missachtet sowie sich auch noch über die schwarz-rote Koalitionsaussage hinweggesetzt.
Frank-Peter Seemann,
Vorstandsmitglied der grünen Kreistagsfraktion
Kreistagsabgeordneter und Mitglied im Kreisausschuss