Offener Brief an die hiesigen Abgeordneten des Bundestages,
- Christina Jantz, SPD
- Katja Keul, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
- Herbert Behrens, DIE LINKE
- Andreas Mattfeldt, CDU/CSU
Sehr geehrte Damen und Herren Bundestagsabgeordnete,
heute, am Freitag, den 4. Dezember 2015, steht im Bundestag eine weitreichende Entscheidung über einen deutschen Militäreinsatz in Syrien zur Abstimmung an.
Die furchtbaren Terroranschläge in Paris vom 13. November 2015 liegen gerade drei Wochen zurück und sind noch in schlimmster Erinnerung.
Die Freundschaft zu Frankreich erfordert von Deutschland zweifelsfrei hinreichende Unterstützung im Kampf gegen den Terrorismus.
Ein Militär- oder besser Kriegseinsatz darf aber nur als ultima ratio, als letztes Mittel gesehen werden und dann auch nur unter strengsten Regularien.
Für einen solchen Kriegseinsatz ist zwingend eine sichere Rechtsgrundlage, ein eindeutiges völkerrechtliches Mandat, nämlich vom Weltsicherheitsrat der UN, zu fordern. Darüber hinaus muss ein sehr gutes Konzept für den Kriegseintritt, für die Dauer des Krieges, für die Beendigung und für den Wiederaufbau, also die Zeit danach vorliegen. Ohne eine sehr gut durchdachte Einstiegs- und Ausstiegs- bzw. Exitstrategie ist ein derartiger Militäreinsatz nicht zu verantworten. Alle diese Voraussetzungen liegen zur Zeit nicht vor.
In Syrien ist die Gemengelage an unterschiedlichen staatlichen Interessen so undurchschaubar, dass es nahezu unmöglich ist, zwischen Freund und Feind im Kampf gegen die IS-Terroristen sicher zu unterscheiden.
In den zurückliegenden drei Wochen können gar nicht alle Möglichkeiten, Frankreich im Kampf gegen den Terrorismus genügend zu unterstützen, durchdacht und ausgeschöpft worden sein.
Nur ein Beispiel: So könnten die 134 Millionen Euro, die dieser zunächst auf ein Jahr angelegte Militäreinsatz „nur“ kosten soll, viel besser an die französische Regierung mit dem Zweck überwiesen werden, die Angehörigen der 130 Terroropfer zu entschädigen. Eine Million Euro für die Angehörigen eines jeden Terroropfers wären besser investiert als in diesen deutschen Militäreinsatz.
Die 1200 BW-Soldaten werden vielmehr hier in Deutschland bei der Bewältigung der Flüchtlingssituation gebraucht und nicht im Nahen Osten, in der Levante, wo die viel schlagkräftigeren Armeen der Amerikaner, Briten, Franzosen und Russen bereits aktiv sind.
Mit einem deutschen Militäreinsatz werden wir Deutschen zur Kriegspartei und verlieren unsere Neutralität, die für eine wichtige Vermittlerrolle, z.B. im Konflikt Russland/Türkei, so sehr von Bedeutung ist.
Zeitdruck ist ein schlechter Ratgeber und ein fehlendes UN-Mandat ist nicht durch einen Kabinettsbeschluss der großen Koalition zu ersetzen.
Deshalb bitte ich Sie/Dich darum, gegen einen Militäreinsatz in Syrien zu stimmen.
Mit besten Grüßen
Frank-Peter Seemann
Kreistagsabgeordneter, Gemeinderatsmitglied, Bündnis 90 / Die Grünen