Mit dem Green New Deal aus der Krise

svenVerden. Am 20.05.09 sprach Sven Giegold, Wirtschaftswissenschaftler und Europakandidat der Grünen, im Hotel Höltje über die Wirtschaftskrise und den „Green New Deal“ – das Konzept der Grünen zur gleichzeitigen Bekämpfung von Wirtschafts- und Klimakrise, an dem er selbst maßgeblich mitgeschrieben hat. Eingangs betonte Giegold, dass nicht nur einseitig auf die Wirtschaftskrise geschaut werden dürfe, sondern auch die anderen globalen Krisen, vor allem die Klimakrise mindestens eben solcher Dringlichkeit bedürften.
Im ersten Teil der Veranstaltung widmete sich Giegold der Analyse der Wirtschaftskrise, die nach seiner Ansicht im Wachstum anlagesuchenden Kapitals, verfehlten Strukturen des bisherigen Finanzsystems und dem Ungleichgewicht der Weltwirtschaft begründet liegt.
Für die weitere Entwicklung der Krise warnte Giegold vor weiteren Risiken: weiteren Bankenpleiten, Staatsbankrotten, dem Aufbrechen der Eurozone und vor allem einer Deflation.
Zur Bewältugung der Krise setzen die Grünen auf einen „Green New Deal“. Explizit beziehen sie sich dabei auf das Konjunkturprogramm des US-Präsidenten Roosevelt in den 30er Jahren, der in der Weltwirtschaftskrise die US-Wirtschaft die US-Wirtschaft stabilisiert habe. „Allerdings hatte Roosevelt keine Antwort darauf, wo neue Dynamik für die Wirtschaft herkommen solle,“ so Giegold. Die sei damals erst durch die Kriegswirtschaft geschaffen worden. Der Green New Deal sagt, wo jetzt neue wirtschaftliche Dynamik entstehen kann: vor allem in den Wirtschaftsbereichen, die mit Umwelt- und Klimaschutz zu tun haben.“ Fünf Millionen neue Jobs wollen die Grünen in den nächsten Jahren neu schaffen.
Das Konzept des Green New Deal wird in Deutschland von den Grünen vertreten, international aber unter anderem von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, dem Klima-Ökonomen Stern, Al Gore, Klaus Töpfer und Achim Steiner, den ehemaligen und amtierenden Chefs der UN-Umweltbehörde vetreten. Auch die deutsche Wirtschaftsfachpresse bescheinige den Grünen ein fundiertes Konzept zur Krisenbewältigung zu haben. „Als einzige Partei haben wir ein Konzept, dass basierend auf einer umfassenden Krisenanalyse wirtschaftsliche Krisenbewältigung mit nachhaltigem Strukturwandel verbindet,“ so Giegold. Scharfe Kritik übte Giegold an Vorschlägen aus Union und FDP zu Steuersenkungen: „Das ist volkswirtschaftlich Unfug und Wahlvolkbertrug, weil es ohnehin nicht umgesetzt werden wird.“ Jeder VWL-Student, der so etwas in einer Vordiplomsprüfung als Antwort auf die aktuelle Krise vorschlage, habe gute Chancen durchzufallen, so Giegold.
Der Green New Deal besteht konzeptionell aus mehreren Säulen:
Erstens einer Stabilisierungspolitik, die die Finanzmärkte stabilisiere und die Geldversorgung der Realwirtschaft sichere; hierzu müssten systemrelevante Banken notfalls verstaatlicht werden. Konjunkturpolitisch solle durch ein sozial-ökologisches Investitionsprogramm neue wirtschaftliche Dynamik entfacht werden. „Andere Staaten setzen dies in ihren aktuellen Konjunkturprogrammen bereits um,“ so Giegold. So investiere Süd-Korea 85% seines Konjunkturprogramms in den grünen Sektor, gefolgt von China.
Dem Klimaschutz gelte das Hauptaugenmerk der Investitionen: Erneuerbare Energien sollen weiter gefördert und gestärkt werden, auch im Wärmebereich. Altbausanierung soll verpflichtend werden und Mieter sollen ein Recht auf energetische Sanierung ihrer Wohnungen erhalten. Kraftwärmekopplung soll weiter gefördert werden, Stromnetze ausgebaut werden. Ebenso Schienenwege und der ÖPNV. Schließlich solle Elektromobilität massiv gefördert werden. „Hier hängen uns Kalifornien, Neuseeland und andere Länder gerade ab. Das ist fatal in einem Land, wo jeder 10. Arbeitsplatz von der Automobilindustrie abhängt,“ so Giegold. Die Anschaffung von Elektroautos müsse relevant bezuschusst werden – wie in Großbritannien. Weiter massiv investiert werden müsse in den Bildungsbereich und in soziale Dienste.
Der Grüne New Deal sieht aber auch Umverteilungsmaßnahmen vor: die Grundsicherung durch Hartz IV müsse erhöht werden, Sozialabgaben der Progression unterworfen und ein gesetzlicher Mindestlohn mit einer Stärkung des Tarifsystems verbunden werde.
Finanziert werden soll das Programm durch die Abschaffung der Abgeltungssteuer. „Kapitaleinkommen müssen wie Arbeitseinkommen progressiv besteuert werden,“ so Giegold. Durchsetzbar sei dies aber nur, wenn gleichzeitig Steuerschlupflöcher geschlossen und Kapitalflucht wirksam unterbunden werde. Dies ist seit Jahren Giegolds Schwerpunkt, der er sich auch im Europäischen Parlament widmen will. „Ich strebe einen Sitz im Wirtschaftsausschuss des EP an und die wirksame Schließung von Steueroasen wird mein Hauptziel sein,“ so Giegold. Die Grünen schlagen ferner eine einmalige Vermögensabgabe in Anlehnung an § 106a des Grundgesetzes vor: „Kapitalbesitzer müssen ihren Anteil an den Kosten der Krisenbewältigung tragen,“ so Giegold.
Die Herstellung Internationaler Gerechtigkeit durch Technologie- und Wissenstransfer in Länder des Südens, Stimmrechte in den internationalen Finanzinstitutionen, Schutzrechten gegen Dumping und Entschädigungen für die Anpassungsleistungen an den Klimawandel sind eine weitere Säule des Green New Deal.
Schließlich schlagen die Grünen eine neue Finanzmarktverfassung vor, zu denen ein „Bretton Woods II“ gehört, sowie eine Stärkung von den Sektoren der Finanzwirtschaft, die gemeinwohlorientiert arbeiten wie kommunale Sparkassen oder Genossenschaftsbanken.
Die Veranstaltung in Verden war Sven Giegold’s 95. Veranstaltung zum Green New Deal in Folge. In den nächsten Tagen ist er auf mehreren Veranstaltungen des Deutschen Evangelischen Kirchentages zu hören, deren Präsidialversammlung er angehört, außerdem abends in Osterholz und Nienburg.