Das Thema scheint zu berühren, denn bei der öffentlichen Diskussion am Mittwochabend wurde es eng im Saal im Hotel Höltje in Verden. Der Einladung des Ortsverbandes Verden waren nicht nur grüne Mitglieder, sondern überwiegend interessierte Bürgerinnen und Bürger gefolgt. Heinrich Wessel, Vorstandssprecher des Ortsverbandes Verden, hatte drei Experten aus drei gesellschaftlichen Bereichen eingeladen. Zunächst erläuterte der Ingenieur Hans-Heinrich Schmidt-Kanefendt die technischen Möglichkeiten anhand des von ihm entwickelten auf 100 % regenerativer Energieerzeugung basierenden grünen Szenarios für Niedersachsen „Ohne Atom und Kohle – Enkeltaugliche Energieversorgung für Niedersachsen“. Anschaulich legte er dar, dass entgegen der Nutzung fossiler Energieträger aus Vorkommen tief aus der Erde erneuerbare Energien wie Windenergie, Photovoltaik und Biomasse für alle sichtbar aus der Fläche erwirtschaftet werden müssen. Dies erfordere ein Umdenken im Umgang mit der Flächenbewirtschaftung und der Bewertung des Landschaftsbildes. Das Speichern des Stroms sei durch eine umfassende Methanwirtschaft technisch möglich und garantiere dadurch eine zuverlässige und beständige Energieversorgung. Dies erfordere eine langfristige Planung. Deshalb sei es wichtig, den Zeitpunkt genau zu fixieren, zu dem die Versorgung zu 100 % aus erneuerbaren Energien möglich sei und hieraus eine Zeitachse zu entwickeln, bis wann welche Umsetzungsphase erfolgen müsse.
Die Journalistin Annemarie Struß-von Pöllnitz berichtete von dem durch Lobbyarbeit bestimmten wirtschaftlichen Interesse an der Energiewende, in der die großen Versorger EON, RWE, EnBW und Vattenfall klar ihre Macht gegenüber kleineren Verbänden wie der Windenergieagentur ausspielen. Aus wirtschaftlicher Sicht sowohl für die Industrie als auch für die Verbraucher sei der effiziente Umgang mit Energie der größte Beitrag zur Umsetzung der Energiewende. Weiterhin berichtete sie von den wirtschaftlichen Aktivitäten in Sachen Offshore-Windkraft in Bremen und besonders Bremerhaven, wo mittlerweile nicht wenige Arbeitsplätze in dieser Branche entstanden sind, die durch die fehlende auch politische Weiterentwicklung der Energiewende mittlerweile wieder gefährdet sind.
Als Umweltbeauftragter der evangelischen Landeskirche brachte Rolf Adler es auf den Punkt: Neue Leitwerte seien erforderlich zur Aufrechthaltung unserer Gesellschaft. Frau Merkel habe durch den Atomunfall in Fukushima „kalte Füße“ bekommen und das habe das Umdenken in der Energiewirtschaft bewirkt. Besser wäre es gewesen, ein „warmes Herz“ hätte zu den dringend erforderlichen neuen Lebens- und Nutzungskonzepten geführt. Die Erneuerung der Vernunft sei wahrer Gottesdienst. Nur leider verhindere Angst zu oft Veränderungen.
Erich von Hofe als Landtagskandidat stellte noch einmal die kurz- und langfristigen Möglichkeiten der Energiewende dar und plädierte dafür, alle Möglichkeiten der Einsparung sofort anzugehen, da hierdurch kurzfristig ein großer Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden könne.
In der sich anschließenden angeregten Diskussion unter der Moderation von Johanna König vom Vorstand des OV Verden war der zentrale Punkt immer wieder die Motivationsfrage: Wie schafft man Bewusstsein dafür, dass die kurzfristig gedachte Plünderungsökonomie einem langfristigen Manage-ment der Umgestaltung der Energieversorgung weicht. Einig waren sich alle Teilnehmer darüber, dass das allgemein praktizierte kurzfristige Management, das durch Reagieren und nicht durch Agieren geprägt ist, den erforderlichen zivilisatorischen Umbruch hin zu einer veränderten Lebensauffassung blockiere. Heinrich Wessel und Johanna König vom Vorstand des Ortsverbandes Verden bedankten sich bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für die sachlichen Beiträge und kündigten eine Nachfolgeveranstaltung an, in der die vielen guten Gedanken weiter entwickelt werden sollen.