Seit Jahren fand in Deutschland öffentlicher Wohnungsbau im blinden Vertrauen auf den Markt so gut wie nicht statt. Trotzdem sind natürlich neue Wohnungen entstanden, die aber vor allem eins sind: rentabel für die Immobilien-Besitzer. Dieses Marktversagen ist – insbesondere in den Großstädten – seit Jahren offensichtlich und wurde in den letzten Wochen und Monaten durch den Mehrbedarf für Flüchtlinge nur noch verstärkt. Nun sollen also landauf – landab schnell neue Wohnungen gebaut werden. Die Gefahr von Schnellschüssen ist dabei groß. Dazu gehört, dass derzeit an vielen Orten gleichzeitig versucht wird, das Rad quasi neu zu erfinden und dabei wenig geschaut wird, was es schon alles gibt, z.B. erprobte Gebäudekonzepte – sogar in ökologischer Holzrahmenbauweise – deren Vervielfältigung die Baukosten erheblich reduzieren könnte.
Die größere Gefahr ist jedoch, dass beim Bemühen, schnell neuen Wohnraum zu schaffen andere Herausforderungen und Ziele im Bereich Bauen und Wohnen vernachlässigt werden.
Dazu gehört definitiv der Klimaschutz und andere ökologische und wohngesunde Qualitäten von Gebäuden. Der Gebäudebereich trägt mit ca. einem Drittel zu den Treibhausgasemissionen bei. Dabei findet bisher vor allem die Reduzierung des Wärmeenergiebedarfs während der Nutzung Beachtung – zusätzliches Klimaschutzpotential steckt jedoch in den verwendeten Baustoffen (weg von Baustoffen mit hohem Energie- und Rohstoffaufwand in der Herstellung hin zu Baustoffen, die bestenfalls sogar CO2-speichern).
Seit Jahren versucht die Bundesregierung mit immer neuen Förderprogrammen, Anreize für möglichst energieeffizientes Bauen zu schaffen. Für besonders energieeffiziente Gebäude gibt es beispielsweise in Kürze bei der staatlichen KfW-Bank Kredite für 0,75% Zinsen/Jahr mit einem festen Zinssatz für 20 Jahre (!) und 100.000,- € / Wohneinheit. Förderdarlehen vom Land Niedersachsen gibt es sogar für 0 % Zinsen. Selten waren die Anreizstrukturen für energieeffizientes Bauen so gut. Warum passiert also so wenig?
Eine Antwort liegt darin, dass auf dem Immobilienmarkt viel Unübersichlichkeit und auch Unwissenheit herrscht. Beratung und Orientierung ist wichtig. Dass im Landkreis Verden jetzt nach dem Willen der Fraktionsvorsitzenden jemand u.a. für Beratungsaufgaben eingestellt werden soll, ist sicher ein richtiger Gedanke. Denkbar wäre es, dies mit der Schaffung einer kommunalen Energieagentur bzw. einem Klimaschutzmanagement zu kombinieren und dabei auch Förderungen vom Bund und Land zu nutzen, wie es viele (auch finanzschwache) Kommunen bereits erfolgreich getan haben.
Kommunen können und müssen mehr tun, um bezahlbare Wohnungen zu schaffen. Sie können versuchen, zusätzliche Marktanreize zu geben beispielsweise – wie jetzt vom Landkreis angestrebt – durch ein Sonderförderprogramm. Dies muss aber hinreichend ausgestattet werden, um wirkliche Anreizeffekte zu entfalten. Und seine Kriterien sollten klug formuliert werden. Dazu gehören neben sozialen (maximale Miethöhe) auch ökologische Kriterien. Eine Förderung könnte aber auch in der Bereitstellung von Grundstücken bestehen, z.B. in Form von Erbpacht.
Ein anderer und vielleicht zusätzlicher Weg könnte darin bestehen, die Kreisbaugesellschaft auf den Bau bezahlbarer Wohnungen zu verpflichten und sie hierfür gegebenenfalls mit zusätzlichen Mitteln auszustatten (oder hierfür das zu schaffende Sonderförderprogramm zu nutzen).
Eine weitere Weichenstellung ist wichtig, um jetzt neuen und zukunftsfähigen Wohnraum zu schaffen: Wohnungen sollten in erster Linie im Innenbereich und möglichst zentrumsnah entstehen. Dafür sind auch Umnutzungen und Überplanungen zu prüfen und der Sanierungsstau im Altbaubestand zu überwinden – so wird Wohnungsbau demografiefest und vermeidet Flächenverbrauch und unnötige Mobilität.
Rasmus Grobe, stv. Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen im Rat der Stadt Verden
(Leserbrief zu: „Bezahlbare Wohnungen“, Verdener Aller Zeitung vom 08.12.2015)