Bauernproteste – warum nicht für die Agrarwende?

Weidehaltung und flächengebundene Tierhaltung sind Forderungen, die auch den Klimawandel ausbremsen können. <br /> © Rainer Sturm/pixelio

Ich kann es gut verstehen, dass die Bauern auf die Straße gehen, um ihren Frust, ihre Existenzsorgen und das Gefühl, nicht anerkannt zu werden, zu demonstrieren. Es ist mir aber unverständlich, dass ein Bauernverband es zulässt, dass dabei unqualifiziert auf die eingedroschen wird, die die Probleme benennen – sprich die Umweltverbände und die Verbraucher.

Ich wurde oft gefragt: Was wollen die Bauern eigentlich, keinen Umweltschutz, keinen Klimaschutz? Wozu so ein Protest,  wenn man nicht einmal Forderungen stellt oder Verbesserungsvorschläge formuliert?

Die aktuelle Diskussion über die Gülleverordnung zeigt die Folgen, wenn Probleme ausgesessen werden. Die industrielle Landwirtschaft schädigt Böden, verschmutzt das Wasser und treibt die Klimakrise voran. Das darf nicht so weitergehen.

Es darf auch nicht das Problem der Bauern allein sein. Es ist ein gesellschaftliches Problem. Eine aggressive Preisdumping-Politik hat Bauern und Bäuerinnen gezwungen, sinkende Erlöse durch Mehrproduktion auszugleichen. Viele, die diesen Weg nicht mitgingen, sind heute keine Bauern oder Bäuerinnen mehr.

Verdener Gespräch mit Tierärztin und
Bio-Bäuerin Dr. Elisabeth Böse

Es ist keine Frage. dass die Forderungen von Wissenschaft und Gesellschaft für Klima-, Boden-, Wasser-, Natur- und Tierschutz gerechtfertigt und überfällig sind. Aber das kann es nicht zum Null-Tarif geben. „Klima- und Naturschutz kosten Geld“, mahnt die ABL (Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft). Sie setzt sich ein für artgerechte Tierhaltung im Stall und auf den Weiden, für einen klima- und artenschonenden Ackerbau und für die Gewährleistung von sauberem Trinkwasser.  Ohne Klima- und Naturschutz, so haben uns zig Wissenschaftler eindringlich vorgerechnet, wird es über kurz oder lang unbezahlbar.

Die Grünen fordern schon lange eine Agrarwende, d.h. eine bäuerliche Landwirtschaft mit flächengebundener Tierhaltung, die Klima und die biologische Vielfalt schützt, Bauern und Bäuerinnen ein auskömmliches Wirtschaften ermöglicht und den Hunger in der Welt bekämpft. Hätten wir sie schon vor 10 Jahren in Angriff genommen, würden wir heute nicht über rote Gebiete reden, in denen das Grundwasser durch zu viel Dünger mit Nitrat verseucht ist.

Eins muss uns dabei auch klar sein: Agrarwende ohne Bauern und Bäuerinnen ist unmöglich. Es gibt gute Vorschläge, die Wende zu finanzieren. Das ist zum einen die Umgestaltung der EU-Agrarsubventionen. Statt Flächenprämie sollten Subventionen gezahlt werden für

  • gesellschaftliche Leistungen,
  • Umwelt- und Tierschutz,
  • vielfältige Fruchtfolge,
  • Weidehaltung,
  • kleinstrukturierte Schläge,
  • flächengebundene Tierhaltung etc.

Zum anderen brauchen Bauern und Bäuerinnen endlich faire und kostendeckende Preise. Die dauerhaft schlechten Preise für Milch, Fleisch und Getreide haben im Wesentlichen zwei Gründe: Überproduktion und ein eklatantes Marktmachtgefälle zugunsten der Ernährungsindustrie und des Handels. Bauern sind nur noch Restgeldempfänger. Dies zu ändern wäre Aufgabe der Politik.

Die Mehrheiten im Agrarausschuss des Bundestages liegen aber bei der CDU/CSU. Viele dieser Mandatsträger sind gleichzeitig Funktionäre im Bauernverband. Sie blockieren seit Jahren eine Agrarwende im Sinne der Bauern und der Gesellschaft. Stattdessen  wird alles getan, das Mercosur Freihandelsabkommen durchzusetzen. Dies beinhaltet den zollfreien Import von Rindfleisch und Tierfutter (hauptsächlich Soja) aus den Südamerikanischen Staaten in die EU. In Brasilien brennen dafür gerade die Regenwälder.

Vor unseren Augen spielt sich nicht nur eine gigantische Klimakatastrophe ab, sondern auch ein Genozid. Kleinbauern und indigene Völker, die nicht freiwillig ihr Land verlassen, werden kurzerhand erschossen. Das alles für noch mehr Fleisch- und Tierfutterimport zu uns in die EU, noch mehr Preisdumping, noch mehr Gülle und Nitrat, noch mehr Überschüsse, die dann auf die Märkte Afrikas gedumpt werden und auch hier bäuerliche Existenzen zerstören.

Eine Regierung, die nicht einmal diesem Wahnsinn einen Riegel vorschiebt, kann ich nicht mehr verstehen.

Darauf haben wir in der Landkreispolitik leider keinen Einfluss. Aber wir haben einen Einfluss darauf, hier bei uns die Ökologisierung der Landwirtschaft voranzubringen, indem wir regionale Bioprodukte konsumieren.

Landkreis und Kommunen haben die Möglichkeit, Bio-Lebensmittel in der Gemeinschaftsverpflegung verbindlich vorzuschreiben, ähnlich, wie es die Stadt Bremen schon getan hat. Ein Antrag der Grünen dazu liegt im Kreistag vor. Frei nach dem Motto:  „Was du erhalten willst, musst du essen.“

Dr. Elisabeth Böse